„Nur natürliche Meditation frei von Vorstellungen führt zur Befreiung.“
„Ich lernte Gendün Rinpoche im Januar 1984 in der Dordogne kennen, gerade bevor das erste von ihm geleitete Drei-Jahres-Retreat in der Auvergne, Frankreich, begann. Zu diesem Zeitpunkt ahnte ich überhaupt nicht, dass er später mein Hauptlehrer und Wurzellama werden würde.“ (siehe Lama Irene und ihre Begegnungen)
Lama Gendün Rinpoche wurde 1918 in der Provinz Nangtschen in Kham, Osttibet, geboren und verließ seinen Körper nach 22 Jahren Wirken und Lehren in Europa am 31. Oktober 1997 in der Auvergne, Frankreich.
Von frühester Kindheit an hatte Lama Gendün tiefe Sehnsucht nach einem spirituellen Leben. Als er sieben war, gingen seine aufrichtigen und einfachen Eltern auf seine wiederholten Bitten ein und brachten ihn in das nahe gelegene Kloster Khyodrag. Dort erhielt er seine spirituelle Ausbildung. Sein Hauptinteresse galt der Meditation und so setzte er alles daran, diese von den Meistern des Klosters zu erlernen. So konnte er sich bereits mit 14 Jahren in seine erste Zurückziehung begeben.
Mit siebzehn Jahren erhielt er die volle Mönchsordination, die er während seines ganzen Lebens makellos aufrechterhalten hat. Mit einundzwanzig praktizierte er im traditionellen Drei-Jahres-Retreat unter anderem die Sechs Yogas von Naropa und Mahamudra Meditation gefolgt von unzähligen Jahren in strenger Abgeschiedenheit. Nach seiner Flucht aus Tibet bot ihm der 16. Gyalwa Karmapa, das Oberhaupt der Kagyü-Schule an, in Kalimpong-Sikkim, an der Westgrenze zu Bhutan bei einem seiner Gönner weitere Jahre in Zurückziehung zu praktizieren. Ab 1972 schickte er ihn ins östliche Bhutan, um sich dort um ein Kagyü Kloster zu kümmern. Nach Karmapas erster Reise in den Westen veranlasste er, dass Lama Gendün einen bhutanischen Pass erhielt und beauftragte ihn in die Dordogne, Frankreich Dhagpo Kagyü Ling aufzubauen, in dem er seinen westlichen Schülerinnen und Schüler sagte „Ich schicke euch Lama Gendün Rinpoche, meinen besten Meditationsmeister“. Dort angekommen baute Lama Gendün gemeinsam mit Jigme Rinpoche Dhagpo Kagyu Ling auf.
So begann ab 1975 ein völlig neuer Lebensabschnitt für Gendün Rinpoche. Unermüdlich widmete er sich seiner stetig wachsenden Dharma-Aktivität, die in viele europäische Länder ausstrahlte. Vor allem aber gründete er die grosse Retreat- und Klostergemeinschaft Kundröl Ling und baute den eindrücklichen Karmapa Tempel in der Auvergne. Inzwischen konnten Hunderte von Prakitzierenden aus über 20 Nationen dort ein Drei-Jahres-Retreat sowie seit 2012 auch die Drei-Monat-Retreats durchführen.
Da Gendün Rinpoche nicht nur ein umfassend gütiges Wesen hatte, sondern auch frei von Verlangen nach Wohlstand, Achtung und Ansehen war, fühlten sich viele westliche Menschen unmittelbar zu ihm hingezogen. Sie halfen ihm dieses in Europa einmalige Werk in der weitläufigen Natur der Auvergne aufzubauen. Sie wollten von ihm lernen und engagierten sich in dieser Pionierzeit sehr tatkräftig. Viele waren auch bereit ihre Lebenspläne umzukrempeln, um langfristig in seiner Nähe zu leben.
Am 31. Oktober 1997 verliess Lama Gendün Rinpoche seinen Körper, nur zehn Tage nach dem er am Ende des aktuellen Drei-Jahres-Retreats im neu erbauten Karmapa Tempel, die 1000 Buddhas und ebenso viele Schülerinnen, Schüler und Gäste gesegnet hatte. Rinpoche hatte uns alle über Jahre auf diesen einschneidenden Moment mit Worten, wie: „Sorget euch nicht, sondern bewahrt einen freudigen Geist,“ vorbereitet.
Lama Irene sagt dazu:
„Ich war gerade in Jägerndorf in unserem Zentrum, Kündröl Püntsok Ling, in Niederbayern, um den Empfang der Praktizierenden, die gerade das Drei-Jahres-Retreat abgeschlossen hatten, durchzuführen, als mich die aufrüttelnde Nachricht von Rinpoches Tod erreichte. Obwohl mehrmals traurige Regungen in mir auftauchten, lösten sich diese unmittelbar in eine nicht zu fassende Weite auf. Das überraschte mich zutiefst und erneut versuchte ich, traurig zu sein. Und wieder geschah das Gleiche. Verwundert fühlte ich mich zutiefst gesegnet und gehalten. Diese Erfahrung half mir sehr die traurige Nachricht an die anwesenden Retreatlerinnen, Retreatler und Gäste weitergeben zu können.“
Eine ausführliche Biographie zu Lama Gendün Rinpoche findet sich in „Herzens-Unterweisungen eines Mahamudrameisters“, Norbu Verlag